Ausländische Straftäter werden in den Nachrichten regelmäßig anhand ihrer Herkunft charakterisiert. Daran ist nichts ungewöhnlich, mich verfolgt nur eine Frage: Warum?
Am Beispiel des Rumänen aus der Titelzeile: Trägt dessen Herkunft zum Verständnis über den Sachverhalt bei? Erscheint die Tat in anderem Licht, da sie von einem Rumänen begangen worden ist?
Einen schlüssigen Grund sehe ich nicht, doch scheint Herkunft als wichtige Information gesehen zu werden. Über Religionszugehörigkeit, Hautfarbe oder sexuelle Ausrichtung von Tätern wird ja auch nicht berichtet. Im Gegenteil: Zeilen wie „Christ erschlägt Ehefrau“ würden verwundern. Ersetzt man „Christ“ dagegen mit einer fremden Nationalität, liest es sich in keiner Weise bemerkenswert.
Ist die Herkunft eines Menschen in Zusammenhang mit einem Verbrechen relevanter als etwa dessen Religion? Mitnichten. Diese sind nicht mehr als Etikettierungen. Aussagekraft darüber, warum einer im Streit zum Messer greift, besitzen sie nicht.
Nun kommen Nachrichten nicht ohne allgemeine Beschreibungen der Täter aus, und sofern diese Inländer sind, werden Kategorien wie Beruf, Alter, Geschlecht zahlreich herangezogen. Dass bei Ausländern indes fremde Herkunft meist als Hauptmerkmal fungiert, bleibt nicht ohne Konsequenzen: Das „Merkmal Fremdheit“ wird negativ geladen, der Ausländerdiskurs vom kriminellen Ausnahmefall geprägt.
In keiner Nachrichtengattung werden Migrationshintergründe so nachdrücklich in den Vordergrund gestellt wie in der Kriminalitätsberichterstattung. Teile der Leserschaft greifen diese Hinweise auf und integrieren sie in fremdenfeindliche Alltagstheorien – gut zu beobachten an Postings zu Artikeln: Die Meldung mag von einer Person – etwa einem Türken – handeln, in den Kommentaren sind jedoch die Türken generell das Thema: Die Tat wird mit dem „kulturellen Hintergrund“ erklärt, „Überfremdung“ allgemein beklagt etc.
Aufschlussreich auch Leserbriefe in kleinformatigen Tageszeitungen: „Täglich lese ich von …“ ist dort längst zum geflügelten Wort geworden. Die hasserfüllten Parolen der Leserbriefschreiber gegen „die Ausländer“ werden gespeist von den Berichten ein paar Seiten weiter vorne im Blatt.
Wie also damit umgehen? Es würde einiges bewirken, wenn von Fall zu Fall überdacht würde, ob die Herkunft tatsächlich relevant für den geschilderten Zusammenhang ist. Dieser Forderung entsprechen auch die Richtlinien des deutschen Presserates: „Die Zugehörigkeit der Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten wird nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis ein begründbarer Sachbezug besteht.“ Zu beachten sei, dass die Erwähnung „Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte“.
Zum gleichen Schluss kommt das Innenministerium Nordrhein-Westfalens: Die Polizei darf auf die Zugehörigkeit zu einer Minderheit nur hinweisen, „wenn sie für das Verständnis eines Sachverhalts zwingend notwendig ist“. Eine Maßnahme, die das Innenministerium in direkten Zusammenhang mit einem „angemessenen Minderheitenschutz“ stellt.
Der Hinweis auf die fremde Herkunft von Straftätern ist jedenfalls mehr als harmlose Information. Unnötig ist er in den meisten Fällen ohnehin. Warum wird trotzdem so oft darauf hingewiesen?
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Erschienen in: Die Presse, 21. Dezember 2010